Lebensfreuden

Rotkäppchen zum Frühstück

Sonntag 09 April 2017 - 00:05:00
rotk_ppchen.jpg Ich machte es mir gerade auf meinem Sitz im ICE der Deutschen Bahn von Köln nach Freiburg nach einem Wochenendbesuch bei meiner Schwester bequem, als mein Handy vibrierte.

Auf dem Display erschien eine SMS von meinem geliebten Wesen von Mann. "Duuu, sitzt du schon im Zug? Ich bräuchte eine Auskunft von dir! Wo haben wir denn den Tortenring? Lieb dich."
"Ja", antwortete ich, "ich sitze im Zug und der Tortenring befindet sich im Schrank mit den ganzen Backsachen ganz hinten; lieb dich auch." Und schon rollte der Zug los.
Ich packte meine Brezel und mein Buch aus. Drei Stunden Zeit bis Freiburg! Genüsslich fing ich an zu kauen und zu lesen, als erneut mein Handy vibrierte. “Duuu, Schatz, ich kann den Tortenteller und das Sahnesteif nicht finden", simste mein geliebtes Wesen von Mann!
"Im selben Schrank ebenfalls ganz hinten und das Sahnesteif findest du in der roten Dose; sie steht auch irgendwo dort",simste ich zurück. "Dankeschön, lieb dich", wackelte mein Handy.

Mit dem Satz "lieb dich auch" schloss ich die Schreibkonversation erneut und schlug mein Buch auf, da ich endlich wissen wollte, wer denn nun der Mörder war!

Doch ich kam nicht weit mit dem Lesen, es herrschte SMS-Alarm. "Ich möchte dich wirklich nicht immer stören, aber haben wir noch ein Glas Kirschen irgendwo...?" Was zum Kuckuck treibt er da, dachte ich und tippte ins Handy: "Im Vorratsschrank im Keller sollte noch eines stehen. Wozu brauchst du das alles?", simste ich zurück. "Was machst du?" fügte ich noch hinzu. Es kam eine äußerst knappe Antwort zurück: "Bin beschäftigt, muss mich konzentrieren!"
Aha, beschäftigt also, und er muss sich konzentieren... Da keine weitere SMS kam, versuchte ich mich wieder auf mein Buch zu konzentieren, was mir auch gelang, zumindest bis zur nächsten SMS."Ich habe alles gefunden, mein Spätzchen, auch den Tortenring, den aus Metall. Ich bräuchte aber den aus Plastik, sonst hält das Ganze nicht! P.S. lieb dich."

So allmählich machte ich mir doch Gedanken darüber, was da vor sich ging, und tippte die Antwort: "Duu, wenn er dort nicht liegt, wo du den anderen gefunden hast, dann weiß ich jetzt ehrlich gesagt auch nicht, wo er sein könnte. Womit bist du denn so sehr beschäftigt?", versuchte ich nachzuhorchen! "Mit Rotkäppchen", las ich auf meinem Display.

Spätestens nach dieser kurzen SMS war es dann auch mit meiner Konzentration vorbei, selbst der erneute Versuch, mich noch einmal auf mein Buch zu besinnen, misslang. Hatte er tatsächlich "mit Rotkäppchen" geschrieben? Und was meinte er damit, er sei mit Rotkäppchen beschäftigt?
Ich verließ meinen Platz, um mir im Bordrestaurant des ICE eine kleine Erfrischung zu gönnen und bestellte mir ein Glas Rotwein. Ich kaute noch immer an meiner Brezel, nippte hin und wieder an meinem Glas und meine Gedanken tanzten durcheinander.
Ich bestellte mir gerade noch ein zweites Glas Wein, als das Display meines Handys aufleuchtete.
Was wird es diesmal sein, dachte ich noch und drückte auf die Nachricht, um sie zu lesen. "Ich wollte dir nur mitteilen, dass ich den Plastikring gefunden habe und dass er gut hält, lieb dich."

"Schön", schrieb ich, "das wird Rotkäppchen bestimmt glücklich machen." "Ja, mein Schatz, das glaub ich auch", schrieb mein geliebtes Wesen von Mann zurück und fügte noch hinzu: "Bist du schlecht drauf?"

"Wer? Ich? Ach wo! Warum sollte ich? Gäbe es denn einen Grund?", simste ich zurück, "nein, wie kommst du denn darauf?" Doch es kam keine Antwort mehr!
Wer zum Henker war dieses Rotkäppchen, und was hatte dieses Weib mit meinem geliebten Wesen von Mann zu schaffen? Ich schrieb kurz eine erneute SMS, um nicht zu platzen. "Rotkäppchen soll gefälligst die Finger von dir lassen!" Das Display leuchtete auf: “Keine Angst, mein Spätzchen, es ist eher so, dass ich die Finger nicht von ihr lassen kann und darf! P.S. lieb dich sehr."
Wie bitte!!! Was hatte das jetzt zu bedeuten? Ich ging zu meinem Platz zurück, da ich nicht vorhatte, mir noch ein drittes Glas Wein zu bestellen und auch schon andere Fahrgäste darauf warteten, endlich einen Platz im Restaurant zu bekommen.
Meine Fantasie malte mir die wildesten Dinge aus von meinem geliebten Wesen und Rötkäppchen.


Rotk Ppchen 1

Vor mir entstand das Bild einer langbeinigen, schlanken Schönheit in schwarzer Reizwäsche und einem roten Umhang, der Ihr leicht über die Schulter fiel, die sich langsam mit schwingenden Bewegungen auf mein geliebtes Wesen von Mann zubewegte. Dieser lag ganz lässig auf unserem Sofa und entpuppte sich als der böse Wolf!

Na warte, dachte ich, wenn ich euch beide in die Finger bekomme, hat auch der böse Wolf nichts mehr zu lachen. In genau einer Stunde und 20 Minuten würden beide ihr blaues Wunder erleben! War ich etwa eifersüchtig? Ach wo! Worauf denn, ich wusste ja noch nicht einmal, wer dieses Rotkäppchen sein könnte!
Ich schrieb noch eine letzte SMS an mein geliebtes Wesen von Mann, um ihm mitzuteilen, dass ich mit dem Taxi nach Hause komme, und erkundigte mich auch gleich, ob es Rotkäppchen noch gut ginge!
Prompt kam die Antwort: "Ja, mein Spätzchen, Rotkäppchen geht es jetzt bestens. Ich werde dann wohl auch schon zu Bett gegangen sein, bevor du zu Hause angekommen sein wirst." Na das beruhigte mich jetzt ungemein! Obwohl es mich noch in den Fingern juckte, stellte ich mein Handy auf lautlos.
In Freiburg nahm ich mir ein Taxi, denn ich spürte so allmählich den Tag in meinen Gliedern. Vor der Haustür kramte ich in meiner Tasche den Hausschlüssel hervor und schloss so leise, wie es mir möglich war, die Tür auf.
Ich betrat den Hausflur und machte mir Licht. Ich stellte meine Tasche ab und ging hinunter in die Küche, um noch etwas zu trinken. Mein Blick wanderte dabei zum Kühlschrank, an dessen Tür ein Zettel klebte, mit einer Botschaft für mich!
"Hallo mein Spätzchen, bitte nicht öffnen, Rotkäppchen schläft schon!"
Was? Na jetzt schlägts dreizehn! Er hat Rotkäppchen in den Kühlschrank gestellt? Und ist es nicht typisch Mann, dass er Frau darauf aufmerksam macht , dass sie bitte nicht neugierig sein soll?
Na, das kannste ja mal voll vergessen, dachte ich und öffnete den Kühlschrank, bin ja schließlich auch nur eine Frau! Ich musste schmunzeln, als ich Rotkäppchen erblickte, ich schloss die Kühlschranktür und machte mich auf den Weg ins Bett.
Am Morgen wurde ich sanft von meinem geliebten Wesen von Mann geweckt. "Frühstück im Bett, mein Spätzchen?", fragte er mich und hielt dabei ein Tablett mit Kaffee und einem Stück Kuchen in der Hand. Ich richtete mich auf. "Gerne, mein liebes Herzchen", lächelte ich ihm zu. "Warum lächelst du so?", fragte mich mein geliebtes Wesen von Mann, während er mir das Stück Kuchen reichte. "Ach weißt du, mit mir geht gerade meine Fantasie durch!" Es gab Rotkäppchen zum Frühstück! Und eines war sicher, es war nicht der böse Wolf, der das Rotkäppchen vernascht hat!

Hilda




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